Honda-XR-Story (Teil 2) von Dino Mari Enduro '92 'Die Rothaut' -------------------------------------------------------------------------------- Im zweiten Teil unseres XR-Reports geht es um Tips und Informationen zu Wartung, Einstellung und Tuning Das Wichtigste gleich vorweg: Die XR ist ein sehr zuverlässiges Sportmotorrad. Und das ganz besonders, wenn der stolze Besitzer regelmäßig die Qualität und Quantität des Motoröls überprüft. Für den Geländegänger heißt das nach der Empfehlung des amerikanischen XR- Spezialisten Al Baker im Klartext, spätestens alle 500 Offroad-Kilometer einen Öl- und Ölfilterwechsel vorzusehen. Der Straßenfahrer kann dieses Intervall verdreifachen beziehungsweise bei Langstreckenfahrten mit dem Faktor sechs multiplizieren. Das Ö1 sollte nicht als Billig-Angebot im Supermarkt ergattert werden, sondern qualitativ hochwertiges Markenöl sein. Ein wenig mehr lnvestitionsbereitschaft zugunsten der Schmierung kann viel Geld sparen helfen. Also niemals das Öl zu lange im Motor lassen. Als zusätzliche vorbeugend Maßnahme dient die Montage einer magnetischen Ölablaß schraube zum Beispiel von Al Baker. Mit etwa 70 Mark ein leider nicht ganz preiswertes Vergnügen. Doch wenn man sieht, was so alles an metallische Abrieb hängen geblieben ist und somit nicht im Ölkreislauf herumgeistert, sind die paar Mark schnell vergessen. Denn auch hier gilt die Regel: Wer am falschen Ende spart, der schiebt. Gut geschmiert ist halb gewonnen Auch alle anderen beweglichen Teile verlangen nach Schmierung. Die gut zugänglichen Schmiernippel an der Pro-Link-Umlenkung erleichtern diese Tätigkeit erheblich. Schon etwas aufwendiger ist die nachträgliche Fettversorgung des Lenkkopflagers. Trotzdem sollt gerade dieses Bauteil unmittelbar nach dem Kauf demontiert und ausreichend mit Fett versorgt werden. Gleichzeitig kann es von eventuellen Resten des in der Regel nachträglich angebrachten Lenkschlosses befreit werden. Auch den Schloßmechanismus mit einer Extraportion Fett versehen - Rost und Gammel go home. Im Rahmen dieser ersten Inspektion empfiehlt es sich, die eine oder andere Kleinigkeit gleich im Vorfeld des tägliche Gebrauchs zu ändern. So sollte die Hinterachse umgedreht werden, sofern das noch nicht vor Auslieferung erledigt wurde. Der im Kopf befestigte Haltedorn zeigt anschließend nicht mehr gegen die Fahrtrichtung nach unten, sondern liegt nun schön in Fahrtrichtung an der Schwinge an. Denn wer wegen einer aufsetzenden oder in Spurrillen einhakenden Hinterachse ausfällt, ärgert sich nicht nur schwarz, sondern hondarot. Auch der in der Regel nach unten zeigende Dekohebel am Lenker sollte zweckmäßigerweise um 180 Grad gedreht werden. Das hat zwei Gründe: Zum einen kann der Oberschenkel im Anlieger ungewollt den Hebel betätigen, zum anderen drückt sich das Motorrad nach einem Umfaller nicht via Verdichtungsverlust von selbst aus. Also schon aus Liebe zum Detail - nach oben mit dem Teil. Der engagierte Endurosportler wird außerdem den breiten Stahllenker gegen ein Alu-Bauteil tauschen. Weniger wegen des Gewichts als wegen des günstigeren Schwingungsverhaltens des Leichtmetalls. Hier hat sich die schmale Renthal-Stange für rund 70 Mark bewährt. Sie ist haltbar und schont die Handgelenke. Außerdem paßt die XR dann besser durch enge Waldwege. Luftfilter Nachlässige Wartung des Schaumstoffelements führt zu schwerem Asthma des Einzylinders. Um dem vorzubeugen, hat die XR die praktischen Schnellverschlüsse am Seitendeckel. Die relativ kleine Filterfläche setzt sich sehr schnell zu und reduziert im besten Fall nur die Leistung. Im ungünstigsten Fall zieht die Honda Sand durch den nicht rechtzeitig gewechselten Filter. Es ist daher ratsam, stets einige gut geölte Elemente mit sich zu führen, insbesondere, wenn die Reise in staubige Gefilde geht. Es gibt sie von Twin-Air oder Moto-Air für etwa 20 Mark. Ein zweiter Luftfilterrahmen für den blitzartigen Wechsel im Sport ist ein Muß für den engagierten Fahrer. Dabei kann übrigens das innenseitige Gitter für eine verbesserte Luftzufuhr entfernt werden. Eine ganz kleine Tuningmaßnahme, die möglicherweise eine ganz kleine und daher nur schwer nachprüfbare Leistungssteigerung mit sich bringt (Don't do it). Und Vorsicht: Der XR-Filter setzt sich nicht nur schnell zu, er sitzt auch nicht immer auf Anhieb richtig an seinem Platz. Deshalb auch in größter Eile immer den korrekten Sitz des Filters auf der nicht einsehbaren Seite per Fingertest kontrollieren. Und natürlich das Element vor der Montage mit einer satten Fettschicht am unteren Rand versehen. Das schützt ebenfalls vor unerwünschten Eindringlingen im Ansaugtrakt. Ärgerlich ist es, wenn beim Fahren der Kickstarter ausklappt. Immer dann, wenn man ihn am wenigsten gebrauchen kann, drückt er von hinten als ?Bruchpunkt" in die Wade. Diesem Mißstand kann preiswert mit einem Kabelklemmschuh aus dem Elektrofachhandel abgeholfen werden. Am Rahmen befestigt, sichert er den darin einrastenden Starter besser und bequemer als ein Gummiband oder ähnliches. Moto-Cross-Fahrer sollten den Seitenständer entfernen. Die weit ausladende und tief angebrachte Parkhilfe stört, kann brechen oder gar den Fahrer verletzen. Im Sportviertakter-Vergleich (ENDURO 4/92) schätzten wir an der XR ihre angenehme Leistungs- und Fahrwerkscharakteristik. Zwar ist die Honda auf dem Papier der Konkurrenz unterlegen, hält aber in der Praxis ganz deutlich mit. Denn oft ist die moderate Kraft des luftgekühlten Singles besser auf den Boden zu bringen als die brachialen PS der wassergekühlten Europäer. Im OMK-Pokal der B-Lizenzfahrer reicht eine Serien-XR mit einem versierten Fahrer erfahrungsgemäß für gute bis sehr gute Ergebnisse aus. Kraftkur Doch was tun, wenn der Sinn unstillbar nach dem Leistungserlebnis steht? Kein Problem, dann greift der echte XR-Freak in die HRC-, White Bros- oder Al Baker-Tuning-Kiste. Hier gibt es praktisch alles - von der Nockenwelle über Vergaser bis zum kompletten Kit der Honda-Racing-Abteilung für rund 2.500 Mark. Allerdings sollte man allzu vollmundigen Leistungs-Versprechungen lieber etwas skeptisch gegenüberstehen. Vielfach erprobt sind die Zubehörteile des amerikanischen Spezialisten Al Baker?s XR-Only. In den USA ist das die bekannteste Adresse für jedes XR-Problem. Kein Wunder: Al Baker unterstützt die Honda-Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei der Entwicklung der XR. Der Import für Deutschland läuft über das Sarholz Racing Team. Eine dreistufige Kraftkur bietet der ebenfalls aus den USA stammende Tuner White Bros. Je nach Kundenwunsch geht es dabei tief in die Eingeweide des XR-Motors. Die White Bros-Produkte vertreibt Geländesport-Schiermeister. Seit knapp einem Jahr gibt es den sogenannten HRC-Kit von Honda, bestehend aus Zylinder, Kolben, Ringen, Kolbenbolzen, Nockenwelle, Kupplungskorb, Dichtungen und Düsenkit. Mit knapp 2.800 Mark nicht ganz billig, aber die eleganteste Methode der XR mehr PS zu gönnen und gleichzeitig die angenehmen Manieren des Motors zu erhalten. Dieser Kit wird unter anderen von Obenhaus Racing in Bochum angeboten. Dort gibt es auch eine Motorschutzplatte aus Leichtmetall, die für etwa 180 Mark eine interessante Motorlebensversicherung ermöglicht. Mit geringen Investitionen in eine regelmäßige Wartung böte dicke Honda ein beinahe unschlagbares Preis-/Fahrspaßverhältnis, wenn sie nicht von Jahr zu Jahr teurer werden würde. Eine 600er XR des Jahrgangs 1992 mit Zweipersonenzulassung steht mit 9.800 Mark schon verdächtig nahe an einer KTM LC 4. Wenn diese Entwicklung anhält, wird sich die Rothaut vielleicht noch selbst in die ewigen Jagdgründe schicken - das wollen wir nicht hoffen. Die XR 600 ist schließlich ein wichtiger Bestandteil der United Colours of Endurofahren. |